Unbewiesene und sogar widerlegte Behauptungen werden als Grundlage der Kreisreform angegeben – Demografische Prognosen in der Retrospektive
Kreis- und Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg, das sogenannte „Reformprojekt“ von SPD und Linkspartei, „um Brandenburg zukunftsfest zu machen“. Das Hauptargument von Landesregierung, SPD, Linkspartei und auch Bündnis90/Die Grünen im Landtag ist, dass die Prognosen einen unaufhaltsamen Bevölkerungsrückgang voraussagen, 2050 wären die ländlichen Räume und die berlinfernen Räume stark geschwächt, um nicht das böse Wort von „leergezogen“ zu kolportieren.
Der behauptete und scheinbar statistisch gesicherte massive Bevölkerungsrückgang ist das einzige echte Argument. Aber stimmt es?
Alle anderen Argumente, wie z. B., dass größere Verwaltungsstrukturen „billiger“ sind, sind längst durch Statistiken von Landkreistag, KGSt, Städte-und Gemeindebund, Deutschem Landkreistag u. v. a. m. fundiert widerlegt. Die Tatsache, dass die Kostenfrage trotzdem immer wieder von SPD, Linken und Regierung vorgeschoben wird, ist genauso zu bewerten, wie, dass es immer noch Menschen gibt, die auch den Klimawandel bestreiten oder dass Impfen schützt. Ideologie macht eben blind.
Was ist nun mit dem „Hauptargument“ des Bevölkerungsrückganges? In der Plenardebatte am 9.6.2016 hat Innenminister Schröter dies auch wieder als „schlagendes“ Argument angeführt und behauptet, dass die Bevölkerungsprognosen sicher seien und dass Brandenburg sich entvölkern würde.
Setzen wir uns doch mal nüchtern mit den Argumenten auseinander. Stimmen die Prognosen? Was sagt uns dazu die retrospektive Schau auf die „Be- oder Entvölkerungszahlen“ in der Vergangenheit und den immer wieder beschworenen Untergang von Deutschland in der Vergangenheit? Schon immer war das Schreckgespenst des Aussterbens des deutschen Volkes ein beliebtes Argument zur Durchsetzung von politischen Ideologien, Projekten oder Ideen.
So wurde die Fusion von Berlin und Brandenburg 1996 auch mit dem Argument befördert, dass Brandenburg bald nicht mehr genug Einwohner hätte, um sich eine eigene Landesregierung leisten zu können. Ein Rückgang auf 1,6 Mio. Einwohner wurde prognostiziert – und was ist passiert? Brandenburg hatte damals rund 2,5 Mio. Einwohner. Und heute, 20 Jahre später? – Immer noch rund 2,5, Mio. Einwohner. Upps, war wohl gelogen.*
Am Ende bleibt festzustellen, dass der Untergang des Abendlandes respektive von Deutschland und auch Brandenburg jedes Mal irgendwie doch nicht stattgefunden hat.
Oder nehmen wir den Landeshaushalt Brandenburg. Der damalige finanzpolitische Sprecher der SPD Herr Mike Bischoff, heute Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag, propagierte 2004 bis 2009 verschärfte Sparmaßnahmen, Einsparungen bei Bildung, Polizei, eigentlich in allen Bereichen. Der Haushalt, seinerzeit mit einem Volumen von 9,5 Mrd. Euro, müsse von 2012 bis 2015 auf 7,5 Milliarden Euro geschrumpft werden, sonst wäre Brandenburg pleite. Unter dieser Prämisse wurde gespart, bis es quietschte, mit Folgen in allen Bereichen, an denen wir heute noch knabbern – kaputte Straßen wegen zu wenig Straßenunterhalt, Polizeiabbau, Abbau in der Justiz mit all den Folgen, die Sie kennen.
Und heute? Der Landeshaushalt hat fast 11 Milliarden Euro Volumen, die Steuern sprudeln, die Wirtschaft boomt, das Land macht keine Schulden, hat sogar Haushaltsüberschüsse von mehreren 100 Mio. Euro und Rücklagen von 500 Mio. Euro. Man kann dies alles in den Plenarprotokollen nachlesen. Sie werden feststellen, es ist so, wie ich es beschreibe, man muss sich nur die Mühe machen, es zu lesen.
Was lehrt uns das?
Zur Durchsetzung von politischen Ideen, Ideologien, Machtprojekten, manchmal „Reformen“ genannt, werden die absurdesten Behauptungen und Szenarien erfunden. – Früher nannte man das „Tatarenmeldungen“. Dann wird durchgesetzt. Und wenn man Jahre später darauf zurückkommt, stellt sich heraus, alles gelogen, stimmte nicht, frei erfunden, nur behauptet, alles unwahr.
Was ist nun mit dem Hauptargument der „Demografie“ und Bevölkerungsentwicklung im Land Brandenburg zur Begründung der Kreis- und Gemeindegebietsreform?
Dazu gibt es einen schönen Beitrag in der „Frankfurter Rundschau“ vom 3.1.2016: „Deutschland wächst – entgegen allen Prognosen“. Lesen sie selbst! Auch die FAZ berichtet von der höchsten Geburtenrate seit 25 Jahren.
Zu allen Zeiten wurden die gleichen Behauptungen aufgestellt, und immer wieder hat der Verlauf der Geschichte dies Lügen gestraft. Und das soll als Argument dafür reichen, dass Kreise zu „Monsterkreisen“ zusammengelegt werden, dass Gemeinden, die kleiner als 10.000 Einwohner sind, zwangsweise zusammengeschlossen werden sollen?
Ich denke, das ist zu wenig. Die stets angeführten „Fakten“ stimmen einfach nicht.
Christoph Schulze, MdL
*Parallel dazu waren auch die Prognosen in Berlin mehr als „unzuverlässig“. Laut Prognosen von 1991 sollte die Einwohnerzahl Berlins bis 2010 auf 5 Millionen steigen. Hiermit wurden damals überzogene Investitionen gerechtfertigt, deren Kredite den Haushalt Berlins noch heute belasten. Statt eines Booms schrumpfte die Bevölkerung in den 90ern jedoch leicht – der Rückgang der vernachlässigten Industrie sorgte für fehlende Arbeitsplätze, was Zuwanderer abschreckte und zur Abwanderung führte. Als man 2002 merkte, dass man daneben lag, änderte man die Boom-Prognose zur Schrumpfungs-Prognose. Bis 2020 sollte die Einwohnerzahl auf 3,36 Millionen Einwohner fallen. Auf Grundlage dieser Prognose wurde jahrelang praktisch nichts mehr in den sozialen Wohnungsbau investiert. Tatsächlich hatte sich damals der Trend jedoch schon umgekehrt. Der wachsende Tourismus und die aufkommende Dienstleistungs- und Internetbranche schufen neue Arbeitsplätze, die Zuwanderer anlockten. Die Stadt wuchs seit dem Jahr 2000 wieder um 130.000 Einwohner auf 3,51 Mio. Einwohner. Die Prognose lag schon wieder daneben, und plötzlich wurde bezahlbarer Wohnraum knapp. Inzwischen erwartet man bis 2020 statt 1 % Schrumpfung nun 10 % Zuwachs, und Berlin hat 2015 begonnen, den sozialen Wohnungsbau wieder zu fördern.
Fazit: Wenn gut bezahlte Arbeitsplätze vorhanden sind, gibt es Zuzug, wenn sie nicht da sind, ziehen die Leute weg. Statt sich wie die Landesregierung aus SPD und Linker mit dem durch schlechte Wirtschaftspolitik und fehlende Infrastruktur selbst verursachten Problem „Wegzug“ anzufreunden, sollte man sich folglich um gute Bedingungen für die Wirtschaft im ländlichen Raum bemühen.
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