Landesregierung beseitigt 60 Landschaftsschutzgebiete unter Vorwand
BVB / FREIE WÄHLER kritisiert: Landesregierung beseitigt 60 Landschaftsschutzgebiete unter Vorwand und sagt in Antwort auf Kleine Anfrage die Unwahrheit
BVB / FREIE WÄHLER kritisiert die Beseitigung von 60 Landschaftsschutzgebieten, wie sich aus der neuerlichen Antwort der Landesregierung auf unsere parlamentarische Anfrage zeigt. Der massive Kahlschlag wird dabei klammheimlich durchgeführt, und auch vor Täuschungen schreckt das Ministerium nicht zurück.
Umweltminister Vogelsänger gab im Dezember 2016 bekannt, man habe 60 Landschaftsschutzgebiete identifiziert, die bereits zu DDR-Zeiten ausgewiesen wurden und auch Ortslagen einbeziehen. Nun arbeite man daran, den Orten die Entwicklung zu vereinfachen. Nach Lesart der Landesregierung soll es nur eine vorübergehende Auflösung der Landschaftsschutzgebiete geben. Anschließend erfolge eine neue Ausweisung – diesmal allerdings unter Aussparung der Ortslagen. Wenn dem so wäre, hätte das Vorgehen unsere Unterstützung.
Doch wie sich zeigt, wird nicht so verfahren. Wie man am Beispiel Märkisch-Oderland sehen kann, ist von einer Neuausweisung nach der Auflösung nicht mehr die Rede. Ganz im Gegenteil. So erfährt man etwa in der Allgemeinverfügung des Landkreises: „Der Landkreis Märkisch-Oderland beabsichtigt derzeit keine Neuausweisung der unter II. genannten nichtigen Schutzgebiete.“
Bürger, Kommunen und ihre Bauvorhaben spielen in der Begründung keine Rolle. Stattdessen wird die in Punkt IV angewiesene sofortige Vollziehung mit dem öffentlichen Interesse am Ausbau der Windkraft begründet und explizit aufgelistet, worum es wirklich geht. Zitat:
„Im Rahmen der Erarbeitung des 3. Entwurfs des Sachlichen Teilregionalplanes ,Windenergienutzung‘ hat die Regionale Planungsstelle deshalb die Darstellungen in den Kartendiensten des LfU nicht mehr berücksichtigt. Dadurch konnten Erweiterungen der Windeignungsgebiete (WEG) 19, 28 und 30 vorgenommen werden (Nr. 19 in Folge der Nichtigkeit des LSG ,Oderhänge Seelow-Lebus‘ um ca. 25 ha, Nr. 28 in Folge der Nichtigkeit des LSG ,Trepliner Seen, Booßener und Altzeschdorfer Mühlenfließ‘ um ca. 15 ha und Nr. 30 in Folge der Nichtigkeit des LSG ,Seenkette des Platkower Mühlenfließes Heidelandschaft Worin‘ um ca. 200 ha).“
Kurzum: Es steht sogar schriftlich und explizit in den Begründungen des Landkreises, dass die „Allgemeinverfügung“ zur Rechtsunwirksamkeit der Landschaftsschutzgebiete der Erweiterung von drei Windeignungsgebieten diente. Was auch erklärt, warum nicht vorgesehen ist, die betroffenen Landschaftsschutzgebiete wieder auszuweisen. Hier findet also seitens des Ministeriums eine massive Täuschung der Öffentlichkeit statt.
Noch schlimmer: Die Landesregierung sagt in ihrer Antwort auf unsere parlamentarische Anfrage auch offen die Unwahrheit – und das gleich mehrfach. Laut Landesregierung befindet sich auf dem Gebiet von 69 bisher aufgelösten Landschaftsschutzgebieten und 18 bisher aufgelösten Naturschutzgebieten nur ein einziges Windeignungsgebiet. Doch schon die Aussagen der Allgemeinverfügung des Landkreises Märkisch-Oderland vervierfacht plötzlich diese Zahl. Denn keines der drei auf die Flächen der früheren Landschaftsschutzgebiete ausgeweiteten Windeignungsgebiete wird von der Landesregierung erwähnt.
Das lässt nur den Schluss zu, dass die Landesregierung hier versucht, Opposition und Öffentlichkeit zu täuschen. Wir gehen davon aus, dass dies der erste Probelauf der Landesregierung ist, ob sie mit diesem Vorgehen – Landschaftsschutzgebiete unter Vorwand auflösen, um Platz für die Windkraft zu schaffen – durchkommt. Mehreren dutzend weiteren Landschaftsschutzgebieten steht diese Prozedur noch bevor, eine komplette Liste ist in der Anlage der Antwort enthalten. Es sind dabei praktisch alle Regionen Brandenburgs betroffen.
Wir halten es für nicht hinnehmbar, unter Vorwänden Landschaftsschutzgebiete aufzulösen, um Windeignungsgebiete auszuweisen. Dieses Vorgehen ist umso dreister, als noch vor wenigen Wochen ein Lobbyist der Windkraft-Branche gegenüber der Presse Kritik am überzogenen Ausbau der Windkraft für haltlos erklärte und behauptete, der Bau von Windkraftanlagen in Landschaftsschutzgebieten sei „völlig unmöglich“.
Es zeigt sich nun, dass die Landesregierung keinen Umweltfrevel scheut, um den lobbygesteuerten Windkraftausbau voranzutreiben. Die dabei erfolgende massive Täuschung der Öffentlichkeit ist nicht mehr hinnehmbar.
Bild: EU-Vogelschutzgebiet „Ostfriesische Seemarschen von Norden bis Esens“ (NDS) mit illegal gebauter Umgehungsstraße Bensersiel und Windpark Utgast direkt am Vogelschutzgebiet, Foto (c): Manfred Knake/Wattenrat Ostfriesland