BVB / FREIE WÄHLER in Brandenburg und PIRATEN in Berlin weisen nach: Kleine Anfragen belegen, dass das Problem fehlender Studienkolleg-Plätze nicht gelöst ist – Angebliche Alternativen existieren nur auf dem Papier! Hochschulpolitisches Versagen der Landesregierung
Im April versuchte BVB / FREIE WÄHLER, studienwilligen Migranten in Brandenburg und Berlin zu helfen, ihre ausländische Hochschulzugangsberechtigung anerkennen zu lassen. Denn die hierfür vorgeschriebenen Studienkollegs sind in Berlin überlaufen, und Brandenburg bietet seit 6 Jahren kein Studienkolleg mehr an. Somit lag es angesichts steigender Zahlen von Migranten nahe, die Einrichtung eines Studienkollegs in Brandenburg zu fordern.
SPD und Linke gerieren sich als Vorkämpfer für eine gerechte Bildungs- und Wissenschaftslandschaft. Doch die Begründungen zur Ablehnung des Antrages, der Flüchtlingen und Migranten eine echte Hilfe gewesen wäre, waren so vielfältig wie falsch. Man habe das Studentenwerk gefragt, die wüssten nichts von den Problemen. Dass die (oft vergeblichen!) Bewerber mit dem Studentenwerk gar nicht in Berührung kommen, schien den Experten nicht bewusst zu sein. Das Studienkolleg sei „veraltet“, man habe da bessere Lösungen. Zu dumm, dass von den Betroffenen nie jemand von solchen Lösungen gehört hat. Oder: „Die Universitäten haben mit der derzeitigen Lösung keine Probleme.“ Wie auch? Bei den Universitäten können sich die Betroffenen nicht einmal bewerben. Wie sollen die Universitäten mit etwas Probleme haben, das für sie nicht existiert? Die Probleme haben die Betroffenen – und mit denen hat außer uns offensichtlich niemand gesprochen.
Auch die zuständigen Staatssekretäre informierten – wie sich aus Ausschussprotokollen ergibt – die Abgeordneten unzureichend.
Aufklärung tut not! Also haben wir nun – in Zusammenarbeit mit der Fraktion der Piraten Berlin – zwei Kleine Anfragen gestartet, die die Situation in Sachen Studienkolleg aufklären sollen.
Unsere Kleine Anfrage „Studienkolleg“ an die Landesregierung Brandenburg bezog sich vor allem auf die falschen Aussagen, das Studienkolleg sei überflüssig, man habe in Brandenburg bessere Lösungen.
1. Ist das Studienkolleg veraltet oder unnötig? Nein, es wird für zahllose ausländische Abschlüsse weiter benötigt.
Frage BVB / FREIE WÄHLER: „Welche ausländischen Studienabschlüsse verlangen Besuch des Studienkollegs, um als Hochschulzugangsberechtigung anerkannt zu werden?“
Antwort Landesregierung: „Eine Einzelauflistung ist aufgrund der Komplexität und des Umfangs der dort eingestellten Daten nicht möglich.“
Es sind so viele verschiedene ausländische Abschlüsse, die zur Anerkennung das Studienkolleg verlangen, dass sich die Landesregierung aufgrund des Umfangs weigert, eine Liste zu erstellen.
2. Gibt es andere Möglichkeiten zur Anerkennung der Hochschulzugangsberechtigung? Auf dem Papier Ja.
Frage BVB / FREIE WÄHLER „Welche Möglichkeiten haben Betroffene, ihren Schulabschluss als Hochschulzugangsberechtigung anerkennen zu lassen, wenn die Kultusministerkonferenz hierfür eine Feststellungsprüfung und den Besuch eines Studienkollegs vorsieht, es aber nicht ausreichend Plätze in dem Studienkolleg-Kurs gibt?“
Antwort Landesregierung: „Für ausländische Studienbewerber mit Schulabschlüssen, die nicht einer deutschen Hochschulzugangsberechtigung gleichwertig sind, sieht das Brandenburgische Hochschulgesetz die Möglichkeit einer Zugangsprüfung an einer Hochschule vor.“ Doch genau diese angeblich vorhandene Möglichkeit wird den Betroffenen nie angeboten.
3. Warum wird den Betroffenen nirgends diese Lösung angeboten? Weil sie nur auf dem Papier existiert, real aber auch nach 6 Jahren noch nicht angeboten wird.
Frage BVB / FREIE WÄHLER: „Falls es in Brandenburg für die Anerkennung der Hochschulzugangsberechtigung ausländischer Schulabschlüsse Alternativen zum Studienkolleg gibt: Warum werden diese den Betroffenen im für ausländische Studienbewerber vorgeschriebenen Anmeldeverfahren der Arbeits- und Servicestelle für Internationale Studienbewerbungen (,uni-assist‘) nicht aufgeführt?“
Antwort Landesregierung: „Die Zugangsprüfung wird durch die Hochschulen zeitnah eingeführt. Aktuell findet die Zugangsprüfung in Brandenburg noch keine Anwendung. Daher ist sie nicht bei uni-assist aufgeführt.“
Das Studienkolleg wurde vor 6 Jahren abgeschafft. Nachdem bis heute keine Alternative besteht, das Wort „zeitnah“ zu verwenden, kann nur als euphemistisch bezeichnet werden. Die „modernen Alternativen“ zum Studienkolleg in Brandenburg sind eine Fiktion. Sie existieren auf dem Papier, werden aber in der Realität gar nicht angeboten! So ließt man dann auf der Webssite der Universität Potsdam folgende Sätze „Zurzeit gibt es leider kein Studienkolleg in Potsdam / Brandenburg. Wir empfehlen Ihnen daher, sich zum Erwerb der notwendigen Voraussetzungen für ein Hochschulstudium an ein Studienkolleg in einem anderen Bundesland zu wenden.“
Die zweite Kleine Anfrage „Bildungschancen für Geflüchtete erhöhen: Zugang zum Studium ermöglichen II – Gibt es zu wenig Plätze in den Studienkolleg-Kursen der FU und TU?“ der Piraten Berlin bezog sich auf die Situation in Berlin.
4. Wurden Studienkolleg-Plätze für Brandenburger Migranten in Berlin sichergestellt? Nein, Brandenburg schaffte das Studienkolleg ohne rechtliche Sicherstellung von Alternativen im Nachbarbundesland ab.
Frage Piraten Berlin: „Gab es Absprachen zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg, dass nur noch das Land Berlin Studienkolleg-Plätze vorhält?“
Antwort Senat Berlin: „Derartige Absprachen zwischen dem Land Berlin und dem Land Brandenburg bestehen nicht.“
Kurzum: Die Abschaffung des Studienkollegs in Brandenburg erfolgte ohne Absprache mit Berlin. Das Anerkennungsverfahren der Hochschulzugangsberechtigung für Migranten in Brandenburg ist seit 6 Jahren nicht sichergestellt. Das Schicksal der Betroffenen war und ist der Landesregierung egal.
5. Sind in Berlin genug Studienkolleg-Plätze vorhanden? Nein, nach bestandener Aufnahmeprüfung werden in Berlin über 40 % der Bewerber aus Kapazitätsgründen abgewiesen.
Theoretisch können Migranten aus Brandenburg sich auch in Berlin für das Studienkolleg bewerben. Doch die Zahlen zeigen, dass dies aus Kapazitätsgründen oft erfolglos ist. Allein im Wintersemester 2015/2016 gab es an TU und FU in Summe 1.410 Bewerber. Davon nahmen 954 am Aufnahmetest teil und 411 haben diesen bestanden. Leider gab es nur 292 Plätze. 170 der zugelassenen Bewerber wurden aus Kapazitätsgründen abgelehnt, weil in ihrem Kursbereich keine Plätze mehr frei waren.
Im Schnitt wurden damit in Berlin über 40 % der Bewerber abgelehnt, obwohl sie die Aufnahmeprüfung bestanden haben. Die Einschreibegebühr, die sie bei uni-assist zahlen mussten, bekamen sie dennoch nicht zurück.
Wir halten dieses Vorgehen der Landesregierung für grundlegend falsch. Studienwillige Migranten, die die Aufnahmeprüfung bestehen und damit Deutsch- und Fachkenntnisse nachweisen sowie ihren Bildungswillen demonstrieren, sollten nicht als lästige Bittsteller behandelt werden, sondern als zukünftige Fachkräfte, die das Land dringend braucht.
Unsere Forderung: Entweder wird bis spätestens Sommersemester 2017 die Zugangsprüfung durch Hochschulen geschaffen oder das Studienkolleg wird wieder eingeführt. 7 Jahre verweigerte Bildungschancen sind genug!