Bevölkerungsprognosen unterschätzen Zahl der Geburten erheblich – Südliche Landkreise lagen schon 2014 mehr als 10% über den Erwartungen
Während die Landesregierung aus Potsdam ihre Pläne zur Kreisgebietsreform mit sterbenden Regionen und sinkenden Geburtenraten begründet, sehen die Bürger vor Ort ganz andere Entwicklungen. Die Krankenhäuser vermelden Geburtenrekorde und die Kitas werden immer voller.
Eine Kleine Anfrage von Iris Schülzke (BVB / FREIE WÄHLER) bestätigt nun: In allen drei Landkreisen lag die Zahl der Geburten schon 2014 um jeweils mindestens 10% über den Prognosen. In Spree-Neiße um 16,0%, in Oberspreewald-Lausitz um 10,4% und in Elbe-Elster um 11,7%. Da dies noch vor dem wahrgenommenen Baby-Boom von 2016 lag, dürften die Zahlen 2015 noch höher sein, erst recht 2016. Doch obwohl wir bereits kurz vor dem Jahreswechsel zum Jahr 2017 stehen, hat die Landesregierung laut eigenen Aussagen noch nicht einmal Daten für 2015. Wir werden nachhaken.
Die neuen Zahlen ziehen dabei auch die Prognosen für die kommenden Jahre in Zweifel. Am Beispiel von Spree-Neiße lässt sich erkennen, dass die Prognosen völlig falsche Annahmen getroffen haben. Laut ihnen sollte die Zahl der Geburten von 800 im Jahr 2010 auf nur noch 500 im Jahr 2020 fallen. Tatsächlich stieg sie bis 2014 von 753 auf 812. Sollte dieser Trend noch ein paar Jahre anhalten, werden 2020 in Spree-Neiße etwa doppelt so viele Kinder geboren wie prognostiziert.
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Zum einen hat sich die Lebensplanung deutlich geändert. Man schließt zuerst Berufsausbildung oder Universität ab, sucht sich einen Job und erfüllt sich den Kinderwunsch erst später. Das durchschnittliche Alter der Mütter bei der ersten Geburt lag zu Zeiten der DDR bei unter 22 Jahren, in Brandenburg sind es 2015 hingegen bereits 28,9 Jahre. In der Übergangsphase sank die Zahl der Geburten natürlich deutlich – doch viele der scheinbar „ausgefallenen“ Geburten wurden nur auf später verschoben.
Zudem sind die Arbeitsplätze sicherer geworden, die Einkommen steigen wieder. Und die Garantie auf Kita-Plätze gibt die Sicherheit, auch in ein paar Jahren noch Kind und Beruf vereinbaren zu können. Man traut sich wieder zu, genug Zeit und Geld für ein Kind zu haben. Zudem sind viele junge Menschen nach dem Universitätsbesuch oder dem berufsbedingten „Exil“ in die Heimat zurückgekehrt, um ihre Kinder gemeinsam mit den Großeltern aufwachsen zu lassen.
Zwar lässt sich auch mit den gestiegenen Geburtenzahlen allein der Bevölkerungsschwund noch nicht komplett aufhalten. Doch so drastisch, wie es die Regierung in ihren Prognosen ausmalt wird er nicht werden. Was wurde nun aus den Begründungen der Kreisgebietsreform? Man wollte die sinkenden Einnahmen des Landes kompensieren, die tatsächlich kräftig steigen. Erreichen wollte man dies mit größeren Verwaltungseinheiten, die angeblich Kosteneinsparung erzielen, was inzwischen aber widerlegt ist. Zudem sollten einige Regionen praktisch aussterben und so in absehbarer Zeit „zu klein“ werden. Doch bei sinkender Abwanderung, steigender Zuwanderung und stabilen bis steigenden Geburtenzahlen dürfte sich auch dieses Argument nicht halten lassen.